Jugendkrimi, Veröffentlichungen

Puppentanz – Maries Traum (Schwarzlichter)

Puppentanz

Anmerkung: Dies ist der ursprüngliche Einstieg für den Puppentanz (ehe Marie erwacht), der es aus Platzmangel allerdings nicht in die finale Version geschafft hat. Viel Vergnügen damit …

Die Haltestelle Neumarkt war wie ausgestorben. Eine Atmosphäre von Leere und Tod lag darüber, eingebettet in eine totale, endgültige Stille. Nichts rührte sich. Das trübe Zwielicht, das die erstarrte Rolltreppe hinabkroch, beschien den langen Bahnsteig, die verwaisten Sitzbänke, die Säulen, die Fahrpläne, die Fahrkartenautomaten. Nirgends gab es Strom – weder die Lämpchen in den Schaukästen oder die Neonröhren brannten, noch flimmerten die Touchscreens der roten Automaten. Ein paar Zeitungen klebten auf dem Boden, ihre bunten Prospekte schimmerten im fahlen Licht. Dort lag eine Damenhandtasche, ihr Inhalt halb auf den Fliesen verteilt, ein Lippenstift zertreten und verschmiert. Wie eine frische Blutspur. Eine Aktentasche war achtlos auf die Schienen geworfen worden, eine weitere hatte jemand auf der Treppe verloren. Ein zerfetzter Rucksack und sein Innenleben – zerfledderte Schulbücher – waren auf einer Sitzbank verteilt. Ein metallener Mülleimer war aus der Verankerung gerissen und lag inmitten von zerbeulten Plastikflaschen, dreckigem Papier und anderem Unrat. Daneben klaffte ein gezackter Riss im Boden, der einen Teil der wuchtigen Fliesen hatte einsinken lassen.

Marie stand am Bahnsteig und ließ ihren Blick von einem Ende zum anderen schweifen. Die U-Bahntunnel waren gähnende, schwarze Schlünde, wobei einer auf der Gegenfahrbahn eingestürzt war. Riesige Betonplatten und Schutt hatten die Gleise unter sich begraben. Nicht weit von ihr hatten sich Teile der Deckenverkleidung gelöst und hingen an Streben und Scharnieren herab, während dahinter ein Gewirr bunter Kabel hevorquoll. Sie lauschte angestrengt, aber es war beinahe still wie in einem Grab. Irgendwo tropfte Wasser und manchmal glaubte sie, den Wind in gequältem Heulen durch Risse und Löcher fahren zu hören. Die Luft war kalt und trug einen metallischen Geruch in sich, der so intensiv war, dass sie diesen fast schmecken konnte.

Sie sah an sich herab. Ihr altmodisches Nachthemd, das ihrer Oma mit dem verblassten Blumenmuster, hing zu weit um ihren bloßen Leib. Sie hatte nicht einmal ihre Hauschuhe an. Ihre nackten Füße hinterließen deutliche Abdrücke in den unregelmäßigen Staubverwehungen, als sie sich von der Stelle rührte. Sie bewegte sich zögernd, fühlte den Boden unter ihren Fußsohlen, die groben Noppen des Plastikbelages, die glatte Kälte der Steinplatten, gelegentlich einen Riss oder kleine, scharfkantige Steinchen. Einen Moment blieb sie vor dem kaputten Rucksack stehen und besah sich die Schulbücher. Sie lagen aufgeschlagen und zerrissen im Staub und sahen ganz aus wie ihre eigenen. Marie erkannte sogar ihr Biologiebuch – die Seite über Vererbungslehre war aufgeschlagen, die sie mit allerlei Rankenmotiven verziert hatte.

Der Riss im Boden zog sich in einer Zickzacklinie in die Wand hinein, wobei sich einer der Schaukästen mit den Fahrplänen aus seiner Verankerung gelöst hatte. Gefährlich funkelnde Glasscherben schimmerten um den rot lackierten Kasten. Zur Treppe hin wurde es heller, das Grau des Zwielichts driftete in einen kalten Silberschein hinüber. Auch hier hatte die Zerstörung gewütet. Zwei Stufen waren aus der Rolltreppe gesprungen und hatten auf ihrem Weg nach unten das Aluminiumgehäuse aufgerissen, dessen aufgeschlitztes Blech wie offene Wunden wirkte. Aus der Decke hatten sich faustgroße Fragmente gelöst, die beim Aufschlag zerbröckelt waren. Die dicke Schicht aus Staub und Schutt war unberührt, Maries nackte Füße hinterließen die ersten und einzigen Abdrücke darin, als sie die Stufen hinaufstieg. Drei von ihnen waren zerborsten und knirschten unter ihren Schritten. Weite Teile der Wandverkleidung hingen lose herab, die Rohre und Kabelstränge dahinter erinnerten an die Knochen eines abgenagten Skelettes.

Die obere Hälfte der Treppe war von einer dünnen grauen Schneeschicht bedeckt, deren dicke Flocken an ihren Füßen und Waden kleben blieben. Nur war es kein kalter Schnee, sondern Asche, deren leblose Farbe kein Glitzern in sich trug. Als sie die oberste Stufe erreichte, waren ihre Beine und der Saum ihres Nachthemdes aschgrau verfärbt.

Die unterirdische Passage, deren Treppen zum Neumarkt hinaufführten, war völlig zerstört worden. Ihre Decke war eingestürzt und hatte Fahrkartenautomaten und die meisten der kleinen Geschäfte unter sich verschüttet. Überall lagen große Trümmerstücke aus Stahlbeton, aus denen dicke Drahtgeflechte ragten. Dazwischen verbogene Metallplatten, zerdrückte Automaten und gesplitterte Glasscheiben. Der KVB-Schalter war komplett unter den eingestürzten Geröllmassen verschwunden. Und über allem schmiegte sich die klebrige, verseuchte Ascheschicht. Beschienen vom grauen Zwielicht, das durch das gezackte Loch in der Decke drang. Aber alles war menschenleer – nicht der Hauch einer anderen Person. Marie war der einzige Mensch hier unten.

Die Treppe zur Oberfläche, dort wo eigentlich die Linie 9 abfuhr, war verschüttet, so dass sie vorsichtig begann, den Geröllberg hinaufzuklettern. Dabei blieb sie mit Omas Nachthemd an einer Metallstrebe hängen und riss es an der rechten Seite bis zum Oberschenkel auf. Ihre Bewegungen schickten kleine Betonsplitter nach unten, die den dickflockigen Niederschlag aufwirbelten. Ehe sie ganz oben angelangte, waren auch ihre Hände und Arme grau verschmiert. Ebenso ihre Stirn, dort wo sie sich mit dem Handrücken darüber gefahren war. Schließlich kletterte sie an die Oberfläche und blieb stehen, um sich umzusehen. Vor ihr sollten eigentlich die Geschäfte sein, aber da war nur eine bröckelnde Fassade, deren glaslose Fenster wie ausgebrannte Augen in die diesige Stadt gafften. Überall bedeckten Trümmerberge die Straße, überzogen vom Ascheschnee.

Marie begann sich langsam um sich selbst zu drehen, und sich das Bild der Zerstörung zu betrachten. Die Neumarktpassage war nur noch eine Ruine, deren Außenmauern standen, während das Innere wie ein Kartenhaus in sich zusammengesunken war. Ein verkohlter Baum hatte sich in die Buchhandlung im Erdgeschoß gebohrt. Fort waren die anderen Bäume und die Haltestellen auf dem Platz davor. Eingerahmt nur von ausgehöhlten, skelletierten Hochhäusern, denen ein vergangener Sturm Fenster und Neonreklamen abrasiert hatte. Alles war fahl, beinahe jeglicher Farbe beraubt. Selbst der Himmel, dessen Grau kein Grau war, sondern nur diesige Blindheit, in der undeutlich die Sonne zu erkennen war. Der kalte, metallisch schmeckende Wind heulte in den zerfallenen Gebäuden, wirbelte den radioaktiven Schnee auf, der um Autowracks und eine ausgebrannte Straßenbahn spielte.

Ganz allein inmitten der Vernichtung, kletterte Marie über Geröll und Stahlstreben, über zerborstene Betonplatten und umgekippte Straßenlaternen. Wanderte zwischen den verkohlten Überresten eines Straßencafes hindurch, die Schildergasse entlang. Die Geschäfte auf beiden Seiten der Einkaufstraße ausgehöhlt, Glasscheiben und Auslagen fortgeblasen. Zu ihrer Rechten ragte die Ruine einer Kirche auf, deren Dach durchgesackt und deren Außenmauer eingestürzt waren. Nordsee, H&M, SportScheck … von ihnen war nichts mehr übrig außer grauen Mauern. Selbst der Brunnen vor dem Kaufhof war umgestürzt, seine steinerne Säule lag zerbrochen vor ihr. Die komplette Fassade des Kaufhauses war nach innen eingebrochen, die nun sichtbaren Etagen beinahe leergefegt. Nur hier und da klebten Klumpen von Inneneinrichtung am Boden. Soweit sie sehen konnte, gab es nichts als Zerstörung, zugedeckt unter einer klebrigen Schicht grauer Flocken.

Und dann war da das Pfeifen. Im ersten Moment klang es wie das Klagen des Windes, aber als sie in seine Richtung stolperte, wuchs es zu einer Melodie. Jemand pfiff in schiefen Tönen den immer gleichen Refrain von Stille Nacht. Sie bog nun in die Hohe Straße ein, in Richtung Bahnhof. Auch hier ein Bild der Verwüstung, der Weg war an manchen Stellen so mit Schutt verstopft, dass Marie mühsam darüber klettern musste. Immer dem schiefen Pfeifkonzert nach, in das sich jetzt ein regelmäßiges, metallisches Kratzen mischte.

Endlich, auf einem verbogenen Stahlträger stehend, konnte sie den Urheber des Liedchens entdecken. Vor der Ruine des MediaMarktes war ein alter Mann damit beschäftigt, mit einer verbeulten Schneeschippe den radioaktiven Niederschlag zur Seite zu schieben. Und dabei pfiff er sein Weihnachtslied, während er in gemächlichen Bahnen den Weg zwischen dem Schutt freiräumte.

Marie kletterte hastig zu ihm hinab, wobei das Geröll unter ihren Füßen wegrutschte und auf den gefegten Weg polterte.

“He da! Obacht, ich habe da gerade erst gekehrt!” Der Alte hielt in seiner Arbeit inne, stützte die Hände auf den Schaufelstiel und das Kinn auf den Handrücken. Er trug nur eine zerschlissene Latzhose und Gummistiefel und war über und über mit grauen Flocken bedeckt. Sie klebten auf seinen dürren Oberarmen, in seinem struppigen Bart, in seinen buschigen Augenbrauen und im weißen, brüchigen Haar. Wenn er sprach oder lächelte, konnte sie die tiefen Falten in seinem Gesicht sehen, die mit der dicken Asche verstopft waren. Während er wartete, dass Marie näher kam, summte er leise Stille Nacht.

Sie blieb vor ihm stehen, strich ihr zerknittertes Nachthemd glatt und versuchte den Riss zu kaschieren.

“Hallo, junge Dame.” Seine Stimme war rau und abgenutzt, klang ein bisschen wie das Geräusch, das die Schippe auf dem Pflasterstein verursachte.

“Hallo”, antwortete Marie befangen.

“Hallo”, sagte der Alte erneut und lächelte. Seine Zähne waren fast schwarz, ein paar fehlten. Seine Augen waren sehr hell, irgendwo zwischen Blau und Grau, aber ihnen fehlte der Glanz.

“Was … machen Sie hier?”

Er zuckte die Schultern und sah sich um: “Nur meine Arbeit. Muss doch alles sauber und ordentlich sein. Sauber und ordentlich, jawohl.”

“Aber warum, es gibt doch hier niemanden außer uns beiden?”

“Das genügt doch. Außerdem habe ich so etwas zu tun. Ansonsten wird man hier noch verrückt.” Er klaubte eine dicke Flocke aus seinem Bart und zerrieb sie zwischen den Fingern. “Oder man ist es schon.”

“Warum sind wir hier? Ich meine, nur wir?” Marie streckte die Arme aus und deutete auf die Ruinen um sich herum. “Wo sind die anderen?”

Der Mann schüttelte den Kopf: “Keine anderen. Zumindest nicht soweit ich weiß. Wundert mich, dass du überhaupt hier bist. Ich meine, was willst du hier, Mädchen?”

Marie überlegte angestrengt, aber ihr wollte kein Grund einfallen. Ihr Hiersein ergab keinen Sinn. Keinen Sinn. “Ich weiß es nicht”, gestand sie schließlich und ließ die Arme sinken.

Der Alte nickte: “Hab’ ich mir gedacht.” Er hob den Kopf, spuckte geräuschvoll in die Hände, rieb die Handflächen mit der ekligen Mischung aus Spucke und Asche aneinander und griff nach seiner Schneeschaufel. “Dann will ich hier mal weitermachen. Habe noch einiges zu tun. Immerhin weiß ich, warum ich hier bin, Mädchen.” Damit begann er wieder mit der Arbeit und pfiff vor sich hin – diesmal die Melodie von O du fröhliche – nur unterbrochen vom Kreischen der Schippe auf den Steinen. Marie schenkte er dabei keine weitere Beachtung.

Einige Zeit sah sie ihm schweigend zu, aber er schien sich wirklich nicht mehr für sie zu interessieren. Schließlich stellte sie sich ihm und seiner Schaufel in den Weg, so dass er aufhören und sie ansehen musste.

“Aber was wird aus mir? Was soll ich machen?”, fragte sie.

Der Greis zuckte die Schultern, so dass die Asche in Bröckchen von ihm abfiel. “Wenn du hier nichts zu tun hast, musst du eben fort.”

“Aber wohin denn? Hier gibt es doch nichts!”

“Dann nimm den Zug”, sagte er, “der Bahnhof ist gleich da vorne.” Damit wandte er sich von ihr ab, um an einer anderen Stelle seine Arbeit fortzusetzen.

“Es fährt aber doch nichts mehr …”, rief sie ihm nach, ohne den Satz ganz zu beenden. Hinter ihr, in Richtung Hauptbahnhof, hörte sie deutlich das Kreischen eines Zuges, der zum Halten kam.

Begleitet von O du fröhliche und dem Kratzen der Schneeschaufel machte sie sich auf den Weg. Noch ein Stück die Hohe Straße entlang, die in den Wallrafplatz mündete, der nur mehr ein tiefer Krater war. In der Senke sammelte sich Schutt, öliges Wasser und Asche. Endlich tauchte der Dom auf, der von der allgemeinen Zerstörung gänzlich unberührt schien. Nur Ascheregen hatte die stolzen Türme grau verfärbt. Die Eingangstore standen sperrangelweit offen. Sie watete über den Domvorplatz, über den wie immer der Wind strich und ihr dicke Flocken ins Gesicht wirbelte. Vor dem Römisch-Germanischen-Museum konnte sie eine Windhose tanzen sehen. Ein kurzer Blick ins gewaltige Kirchenschiff zeigte ihr, dass auch der Dom völlig leer war. Keine Menschenseele saß in den Bankreihen oder wanderte unter den bunten Fenstern umher. Sie umrundete den Dom, bis sie den Platz vor dem Bahnhof erreichte. Die Asche hatte Marie nun ebenfalls ausgegraut – das Nachthemd, Arme, Gesicht und das kurze Haar waren nun aschgrau, fast farblos. Sie stieg die breiten Treppenstufen hinab, die rechterhand abgesackt waren, bis sie vor dem Bahnhofsgebäude stand. So ganz allein, ohne andere Leute, wirkte sie klein und verloren davor. Ein Großteil der Glasfront war nach innen gedrückt, überall schimmerten große Glassplitter im Staub. Mehrere der Eingangstüren hatte es aus den Angeln in die Halle dahinter gerissen. Eine war mit voller Wucht in den ServicePoint gekracht. Die Front des Stehcafes war verschwunden und sie konnte in das Chaos darin sehen. Die Einrichtung war auf einen Haufen gewirbelt worden und das meisten davon zu unkenntlichen Klumpen zusammengeschmolzen.

In der herrschenden Stille, selbst der Wind war hier verstummt, schnitt das Zischen eines Zuges, der irgendwo in den Tiefen des Bahnhofs wartete. Marie verlor keine Zeit und suchte sich einen Weg in die Vorhalle. Dabei schnitten ihr Glasscherben die Fußsohlen auf. Ihr Blut hinterließ kleine Klümpchen in der Asche, die der Wind hereingeweht hatte. Ein Teil des Kuppeldachs war über der Stelle, wo sich das Restaurant und Douglas befunden hatten, eingestürzt. Der Zugang zur U-Bahn war mit Geröll verstopft. Der Kiosk hinter dem ServicePoint sah aus, als hätte ihn ein Feuerball geröstet. Überall lagen verbogene Stahlstreben, die sich aus der Decke gelöst hatten. Die rechte Anzeigetafel über dem Durchgang zu den Gleisen war abgesprungen und hatte auf ihrem Weg nach unten auch noch den hinteren Teil des Infopunkts zertrümmert. Die linke Tafel hing jedoch noch und flimmerte in unruhigen Farben. Ein Gewirr von Buchstaben und Ziffern liefen darüber, flammten auf, erloschen, um sich zu einem neuen Durcheinander zusammenzusetzen. Nur der oberste Eintrag schien zu funktionieren. In weißen Buchstaben auf blauem Grund leuchtete Gleis 10 auf. S11 stand da, Alle Richtungen. Und dann: Abfahrt sofort. Kein Zwischenhalt. Marie beeilte sich nun. Sie lief ins Innere des Bahnhofs. Gleis 10 lag ganz am anderen Ende. Kabel und Stahlträger hingen von der Decke, etliche der Bodenplatten hatten sich halb aufgerichtet oder waren zerbrochen. An einer Stelle gluckerte Wasser aus einem geborstenen Rohr und verfärbte den Staub tiefgrau. Vom Zeitschriftenladen baumelten die weißen Neonbuchstaben herab. Einer der gewaltigen Stahlträger hatte sich verbogen. Die Treppe zu den Gleisen 3 und 4 war eingebrochen. Dort, wo sich der lange Gang mit all den Restaurants und FastFood-Läden befand, waren Schienen durch die Decke gebrochen und hatten die provisorische Bühne darunter aufgespießt.

Endlich erreichte sie den hinteren Teil des Bahnhofs, dort wo sich der Ausgang zum Breslauer Platz befand. Auch den McDonalds hatte es erwischt, seine Fassade war von gewaltigen Kräften eingedrückt worden. Die Rolltreppe zu den beiden letzten Gleisen funktionierte nicht mehr, so dass Marie mit blutigen Füßen und verschrammten Beinen die gegenüberliegende Treppe nahm. Oben zischte der Zug, das Piepen der sich schließenden Türen war zu hören. Sie rannte nun, stolperte die letzten Stufen hinauf.

S11 – Alle Richtungen leuchtete auf der Anzeigetafel. Sie klammerte sich am Treppengeländer fest und zog sich den letzten Absatz hoch.

Aber sie kam zu spät. Die Bahn jagte bereits vom Gleis fort, ein rotes Geschoß, das in der Dunstglocke über dem Rhein verschwand. Dahinter konnte sie die ruinenhafte Skyline von Deutz erahnen, das runde Hochhaus neben dem Bahnhof, die ehemaligen Messehallen.

Dann war da eine blendende Helligkeit, ein greller Lichtblitz, der alles überstrahlte. Und weit vor der Stadt sah sie den Pilz, der in den diesigen Tag wucherte. Ein gewaltiges, abstoßendes Gebilde aus Asche, das den Himmel ausfüllte. Wind kam auf und wirbelte die fetten Flocken auf, die auf dem Bahnsteig lagen. Sie verklebten ihr Mund und Nase, hinterließen einen ekelhaften Metallgeschmack auf ihrer Zunge.

Die Anzeigetafel flackerte noch einmal und erlosch.